Wie läuft die Pflegeausbildung in Deutschland ab und welche Unterschiede gibt es zum Gesundheitssystem in Tschechien? Dies erfuhren
sechs Schüler:innen der Berufsschule Znojmo (Tschechische Republik) während
ihres zweiwöchigen Fachpraktikums am Klinikum Ingolstadt von 28. März bis 11.
April 2025. Finanziell unterstützt wurde das Praktikum vom Koordinierungszentrum
Tandem mit Sitz in Regensburg, das im Auftrag des Bundesjugendministeriums
bundesweit den deutsch-tschechischen Jugendaustausch fördert.
10-jährige Partnerschaft
Der Kontakt zwischen der Berufsschule Znojmo und dem direkt neben dem Klinikum
gelegenen Berufsbildungszentrum (BBZ) Gesundheit Ingolstadt besteht bereits seit
zehn Jahren: „Im März 2015 waren wir zum ersten Mal mit einer Gruppe in
Ingolstadt“, erinnert sich Radka Procházkowá, die die Auslandspraktika auf
tschechischer Seite betreut. „Seither findet der Austausch im jährlichen Wechsel
statt.“ Vor Ort in Ingolstadt kümmert sich Pflegepädagogin Marion Göbbel darum,
dass alles reibungslos funktioniert. Sie ist Lehrerin am BBZ und gehörte während
ihrer eigenen Pflegeausbildung zum ersten Jahrgang aus Deutschland, der 2016 ein
Praktikum in Znojmo absolvierte.
Mitten im Berufsalltag eines deutschen Krankenhauses
Am Klinikum Ingolstadt sind die Pflegeschüler:innen jeweils in Zweier-Teams auf
verschiedenen Stationen im Einsatz. Daniel und Marika arbeiten in der
Gefäßchirurgie und durften sogar bei einer Operation zusehen. „Das Praktikum ist
sehr interessant“, findet Daniel. Das Klinikum in Ingolstadt sei größer als das in
Znojmo und auch bei der Ausstattung gebe es viele Unterschiede. „Die
Blutdruckmessgeräte sind hier anders und es werden viel mehr Einmal-Produkte
genutzt als in Tschechien.“ Ein anderer großer Unterschied sei, dass Blutabnahmen
in Deutschland eine Arztaufgabe seien, in Tschechien dagegen vom Pflegepersonal
durchgeführt würden, sagen Agáta und Sandra, die ihr Praktikum in der Urologie
absolvieren. Bei der Dokumentation sei hier alles digital, während in Tschechien
noch Papierformulare genutzt würden.
„Die Schülerinnen und Schüler profitieren von einem persönlichen Reifungsprozess. Sie lernen ein anderes Land, ein anderes Arbeitsumfeld kennen, und müssen lernen, sich selbst zu organisieren.“
Susanne Voll, BBZ-Direktorin
Verständigung klappt
Die Verständigung vor Ort läuft auf Deutsch und Englisch. „Die Mitarbeiter:innen
versuchen, langsam zu sprechen, damit wir es gut verstehen. Andernfalls helfen wir
uns mit Englisch aus“, berichten Klára und Nikol, die auf der Privatstation im Einsatz
sind. Hilfreich fanden sie das Einführungswochenende mit Sprachanimation. „Das
war sehr interessant, auch was den Fachwortschatz angeht.“ Außerdem konnten die
jungen Tschechinnen und Tschechen schon einige der deutschen Auszubildenden
kennenlernen. Mit diesen unternehmen sie auch in der Freizeit viel: Auf dem
Programm standen unter anderen ein Besuch im Medizinhistorischen Museum
Ingolstadt, eine Werksführung bei Audi sowie ein Ausflug nach München. Sechs
Auszubildende aus Ingolstadt werden dann im kommenden Jahr nach Znojmo
fahren. „Das Interesse ist sehr groß“, freut sich Marion Göbbel.
Jubiläumsjahr: Seit 25 Jahren “Freiwillige Berufliche Praktika”
Das Tandem-Programm „Freiwillige Berufliche Praktika“ feiert in diesem Jahr sein
25-jähriges Bestehen. „Wir ermöglichen es jungen Menschen aus Deutschland und
Tschechien, während der Ausbildung Auslandserfahrung in ihrem zukünftigen
Berufsfeld zu gewinnen“, sagt Kateřina Schneider, Programmkoordinatorin bei
Tandem. „Insgesamt hatten wir schon mehr als 50 Branchen dabei – von
Erziehungswesen über Handwerk und Landwirtschaft bis hin zu kaufmännischen
Berufen oder Design.“
Das Praktikum ist eine Chance, persönlich zu wachsen
„Ich bin überzeugt, dass das Führen von internationalen Beziehungen ein
Aushängeschild für eine Bildungseinrichtung sein kann“, sagt BBZ-Direktorin
Susanne Voll. „Durch die von Tandem geförderten Praktika entsteht nicht nur ein
Schüleraustausch zwischen den beiden Ländern, sondern es entwickeln sich auch
freundschaftliche Beziehungen.“ Das Praktikum hat den Auszubildenden nicht nur
ermöglicht, ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen und ihre
Deutschkenntnisse zu verbessern – es hat sie auch persönlich vorangebracht. „Man
muss die eigene Komfortzone verlassen und sich etwas trauen“, sagt Klára. Das
kann Susanne Voll nur bestätigen: „Die Schülerinnen und Schüler profitieren von
einem persönlichen Reifungsprozess. Sie lernen ein anderes Land, ein anderes
Arbeitsumfeld kennen, und müssen lernen, sich selbst zu organisieren.“
Das deutsch-tschechische Koordinierungszentrum Tandem mit Sitz in Regensburg
und Pilsen organisiert Programme zur Förderung des Jugendaustauschs beider
Nachbarländer. Darunter sind auch Fachpraktika in anderen Berufsfeldern wie
Hotellerie, Gastronomie, Verwaltung oder Landwirtschaft vertreten. Finanziert wird
das Austauschprogramm unter anderem durch den Deutsch-Tschechischen
Zukunftsfonds sowie das Programm Erasmus+.
„Insgesamt hatten wir schon mehr als 50 Branchen dabei – von Erziehungswesen über Handwerk und Landwirtschaft bis hin zu kaufmännischen Berufen oder Design.“
Kateřina Schneider, Programmkoordinatorin bei Tandem