Der Weg zum Auslandspraktikum

Internationale Berufserfahrung sammeln, neue Methoden und Arbeitsweisen kennenlernen und das eigene Selbstvertrauen stärken: Ein Auslandspraktikum bietet viele Chancen. Doch wie finden Berufsschulen oder Ausbildungsbetriebe passende Partner im Ausland? Welche Möglichkeiten der Finanzierung gibt es? Und wie schnell kann es dann losgehen mit dem Praktikum in Tschechien?

Im Fall der angehenden Erzieherinnen Kira, Romy und Leonie, die seit Jahresanfang im mehrsprachigen Kindergarten Villa Luna in der tschechischen Hauptstadt Prag Praxiserfahrung sammeln, dauerte es weniger als ein Jahr, berichtet Kateřina Holišová. Zusammen mit ihrer Kollegin Stefanie Schreiber betreut Holišová das Programm „Freiwillige Berufliche Praktika“ bei Tandem, dem vom Bundesfamilienministerium beauftragten Koordinierungszentrum für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch.

Zustande gekommen war der Kontakt zwischen der Villa Luna in Prag und dem Berufskolleg Lise Meitner (Fachschule des Sozialwesens, Fachrichtung Sozialpädagogik) in Ahaus bei einem Online-Vernetzungstreffen zwischen Kindergärten und Berufskollegs für angehende Erzieher:innen, das Tandem im Februar 2022 organisiert hatte. „Ein Kollege hatte mir den Link zu dieser Informationsveranstaltung weitergeleitet“, berichtet Silvana Gentili, die zusammen mit ihrer Kollegin Anne Schmitz die Auslandspraktika am Berufskolleg Lise Meitner betreut. „Von der Entfernung her ist Tschechien als Partnerland für uns ideal“, findet Gentili. Es sei weit genug weg von Ahaus, um für die Praktikant:innen ein unbekanntes Land zu sein, aber zugleich doch nah an Deutschland.

Gentili meldete ihre Schule im Tandem-Mobilitätskonsortium an, um für das Praktikum Fördergelder aus dem EU-Programm Erasmus+ zu erhalten. „Tandem ruft die Fördermittel bei der Nationalen Agentur ab, koordiniert die Mobilitäten und ist für die Abrechnung sowie Berichterstattung zuständig“, erläutert Tandem-Mitarbeiterin Schreiber. „Da ich noch nicht so viel Erfahrung mit Erasmus+ hatte, war die Antragstellung über Tandem eine große Unterstützung“, sagt Gentili. Mit der finanziellen Förderung stehe und falle alles – „alleine könnten sich unsere Schüler:innen ein mehrwöchiges Praktikum in Prag nicht leisten“.

Erfahrungen für das spätere Berufsleben sammeln

Die Osterferien 2022 nutzte Gentili für einen Besuch im Tandem-Büro in Regensburg sowie bei der Villa Luna in Prag, um sich persönlich mit der Leiterin Olga Timková abzustimmen. Die Villa Luna sei ideal für ein Auslandspraktikum, da es sich um eine mehrsprachige Einrichtung handle, findet Gentili. Aktuell gibt es dort zwei tschechisch-englische und eine tschechisch-deutsche Gruppe, sagt Olga Timková. Insgesamt besuchen rund 50 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren aus verschiedenen Ländern die Einrichtung. „Wir haben viel Erfahrung mit internationalen Praktikant:innen. Es ist interessant für sie, unseren pädagogischen Ansatz kennenzulernen“, so Timková. In Tschechien werde viel Wert auf angeleitete Angebote für die Kinder gelegt, auch die Vorbereitung auf die Grundschule habe einen hohen Stellenwert. Die Praktikant:innen könnten also Erfahrungen mit einer anderen Arbeitsweise sammeln, würden zugleich aber ihre eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen. „Auch wir lernen von den Praktikant:innen“, betont Timková.

Rund acht Wochen verbringen Kira (19), Romy (20) und Leonie (19) in dem Prager Kindergarten. Für alle drei ist es der erste Aufenthalt in Tschechien. „Wir unterstützen die Fachkräfte in den Gruppen bei ihren Aufgaben und verbringen sehr viel Zeit mit den Kindern“, sagt Romy. Auch eigene angeleitete Angebote haben die Praktikantinnen mittlerweile umgesetzt. „Anfangs hatte ich etwas Sorge vor der Sprachbarriere, aber man lernt schnell, sich auch ohne Sprache mit den Kindern zu verständigen“, berichtet Leonie. Das sei eine ganz wichtige Fähigkeit für Erzieher:innen und Lehrer:innen, betont Veronika Kadlecová, Praxisanleiterin in der Villa Luna. „Kinder, die nicht die Landessprache als Muttersprache sprechen, haben einen besonderen Bildungsbedarf. Erzieher:innen brauchen die Fähigkeit, diese Kinder auch durch nonverbale Kommunikation in die Gruppe zu integrieren, damit diese ankommen können und sich in der Einrichtung wohl fühlen.“ In der Ausbildung käme dieses Thema aber häufig zu kurz. „Nach zwei Monaten bei uns gehen die Praktikant:innen viel selbstbewusster nach Hause, weil sie sehen, dass das möglich ist“, sagt Kadlecová. Diesen Perspektivwechsel findet auch Silvana Gentili enorm wichtig: „Später arbeiten die Erzieher:innen auch mit Kindern und deren Familien aus anderen kulturellen Kontexten. Hier können sie selbst erleben, wie es ist, in ein Land zu kommen, dessen Sprache man nicht beherrscht.“

Vorbereitungstage erleichtern den Einstieg

In Prag wohnen Kira, Romy und Leonie gemeinsam in einer Wohnung. Die Einrichtung stellt keine Unterkunft, hilft aber bei der Suche und vermittelt Kontakte, wie Olga Timková betont. „Prag ist sehr schön, es gibt viel zu entdecken“, sagt Kira. Anfangs sei es eine Herausforderung gewesen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, da alles auf Tschechisch sei. Hilfreich waren für die drei Praktikantinnen die beiden Vorbereitungstage mit Sprachanimation und Orientierung vor Ort. „Ich bin froh, dass ich mich für dieses Praktikum entschieden habe“, sagt Kira. „Die Erfahrungen im Ausland sind wichtig für die persönliche und professionelle Weiterentwicklung im Beruf“, ist Anne Schmitz überzeugt. Von Tandem sei die Gruppe zudem „super begleitet“ worden. Silvana Gentili hofft, dass sie weiterhin Schüler:innen die Möglichkeit bieten kann, während der Ausbildung ins Ausland zu gehen. „Auch für das kommende Jahr habe ich unsere Schule schon bei Tandem angemeldet!“.

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